Schonzeit vorzeitig beendet

Odenwälder Jäger besorgt – Pressemeldung Verein der Jäger im Odenwald e.V. 27.04.2020

Odenwaldkreis. April – grüne Wälder und Wiesen, blühende Kirsch- und Apfelbäume, an jeder Ecke sieht man neues Leben. Einfach eine großartige Zeit. Und nicht nur die Pflanzenwelt startet in ein neues Jahr, auch die Wildtiere sind nach den kräftezehrenden Wintermonaten wieder aktiv. Die Zugvögel kehren zurück, alle versorgen sich mit wichtigen Nährstoffen, um die kurz bevorstehende Geburt ihrer Sprösslinge vorzubereiten. Naturschützer, Förster und Jäger sind sich eigentlich einig: im Frühling bleibt der Hund an der Leine und das Gewehr im Schrank, Ruhe benötigt die Natur.

Überraschenderweise hat nun aber das Hessische Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, geführt von der grünen Politikerin Priska Hinz, verfügt, dass die Schonzeiten für Pflanzenfresser wie Hirsch und Reh zum 1. April vorzeitig beendet werden. Das Ministerium folgt damit einer radikalen Sichtweise bestimmter Interessengruppen, die in den Wildtieren lediglich einen Schadfaktor sehen. Gebeutelt von den Ausfällen der Fichtenforste wollen die Wirtschafter in den Wäldern Sicherheit für ihre Pflanzungen – ihre Zukunftsinvestitionen in einen klimastabileren Wald. Viele Fachleute an der Basis teilen diese Ansicht jedoch nicht.

Ein kritischer Kommentar des Vorstandes der Odenwaldjäger vom 06. April fand zehntausendfache Unterstützung. „Das Wild hat nur noch in den Monaten Februar und März Schonzeit, das ist einfach zu wenig“, so Moritz Krellmann, 1.Vorsitzender der Odenwälder Jäger.

Tatsächlich könnte die Schonzeitverkürzung sogar kontraproduktiv wirken. „Wenn man diesen hochentwickelten Fluchttieren 10 Monate im Jahr ununterbrochen kompromisslos nachstellt, reagieren sie mit erhöhter Vorsicht. Die Bejagung wird also eher nur noch schwieriger. Und man drängt die Wildtiere dorthin, wo sie ihren Nahrungsbedarf am ehesten noch in Sicherheit stillen können: genau in die Jungwälder, die eigentlich geschützt werden sollen“, so Dirk Fernholz, Naturschutz- und Waldexperte bei den Odenwälder Jägern. „Effiziente Jagd benötigt ein an den jeweiligen lokalen Gegebenheiten orientiertes Konzept, zu dem ausreichend Ruhe unbedingt dazugehört. Hierfür könnten wir Jäger uns tatsächlich ein unterstützendes politisches Maßnahmenbündel vorstellen, top-down verordnete Schonzeitverkürzungen halten wir aber eher für die falsche Stellschraube.“

Für die Beurteilung der Ausgangslage verweisen die Jäger auf die sogenannten Verbissgutachten. Alle drei Jahre – zuletzt 2019 – werden die von Rehen und Hirschen angeknabberten jungen Bäume gezählt. So ergibt sich ein Hinweis, ob deren Bestand eventuell zu hoch ist. Die verantwortlichen Jäger vereinbaren regelmäßig mit Waldbesitzern und Behörden, ob die Abschusszahlen ausreichen oder nach oben korrigiert werden müssen. Insgesamt ist im Odenwald der Wildverbiss nach Lage der Gutachten seit vielen Jahren auf einem akzeptablen Niveau. „Natürlich wissen wir Jäger, dass mit dem Klimawandel neue Herausforderungen entstehen. Was konkret getan werden muss, kann aber nur vor Ort entschieden werden. Pauschale Reglementierungen bringen uns da nicht weiter“, so Dirk Fernholz abschließend.

In einem persönlichen Brief an die Ministerin haben die Odenwälder Jäger ihre Sorge angesichts der Politik einer kompromisslosen und kontraproduktiven Verschärfung des Jagddruckes zum Ausdruck gebracht. Keine Frage: Unsere Wälder leiden unter dem Klimawandel. Es wird viele weitere Ausfälle geben, noch viel mehr Kahlflächen, und deshalb auch noch viel mehr Jungbestände. Und diese Jungbestände müssen in den kritischen Stadien davor bewahrt werden, dass die so wichtigen Mischbaumarten ausfallen. Es geht um die Zukunft der Wälder. Aber es geht eben auch um schützenswerte Wildtiere, deren Erhalt uns eigentlich ebenso eine moralische Pflicht sein sollte – gesetzliche Pflicht ist er allemal. Und wenn deshalb aufgrund des wildbiologischen und -ökologischen Wissensstandes zumindest stark bezweifelt werden kann, dass ein immer noch mehr gesteigerter ganzjähriger Verfolgungsdruck zu den richtigen Ergebnissen führt, dann wird klar, warum viele Naturschützer, Jäger und auch Förster an der Basis sich die politische Unterstützung in anderer Form als der jetzt übereilt verfügten Schonzeitverkürzung wünschen würden.

Auf jeden Fall können der Waldumbau und die Bewirtschaftung gesunder und artenreicher Wildbestände nicht „nach Schema F“ sondern nur im partnerschaftlichen Miteinander vor Ort erreicht werden, da sind sich die Jäger sicher.